Gewaltfantasien

Meine Erfahrung ist, dass das Thema Gewaltfantasien noch stärker tabuisiert wird als zum Beispiel Suizidgedanken. Gewaltfantasien werden stark negativ bewertet, sodass es nachvollziehbar ist, wenn Menschen mit diesen Themen für sich bleiben und sich niemandem anvertrauen. Es gibt unterschiedliche Anlaufstellen für Menschen mit Gewaltthemen oder Vorstrafen, um nicht rückfällig zu werden. Es gibt Antiaggressionstrainings, in Bayern gibt es Präventionsstellen für Menschen, die potentielle Täter*innen sind und eine psychiatrische Erkrankung aufweisen wie eine schwere Persönlichkeitsstörung oder psychotische Erkrankungen.

 

Fantasien hinsichtlich Gewalt und Aggressionen müssen nicht pathologisch sein und jeder Mensch kennt den Gedanken, jemandem Gewalt antun zu wollen (spätestens dann, wenn ihren Kindern oder generell ihren Liebsten etwas zustößt).

Problematisch wird es erst, wenn Menschen am liebsten zu massiver Gewalt greifen würden, auch wenn es nur um objektiv "kleinere Konflikte" geht. Beispiel: Ich habe mit Menschen geredet, die schon bei einem für sie falschen Blick oder einer falschen Geste die Gedanken hatten, den anderen massiv zu verletzen und schlimmeres.

Dies geht auch oft mit stärkerem Leidensdruck einher, da diese inneren Wünsche, Gewalt auszuführen, unterdrückt werden müssen, um keine Konsequenzen erleben zu müssen.

 

In Zukunft werde ich hier Anlaufstellen sammeln, damit Menschen mit Gewaltfantasien mehr Unterstützung erhalten.

 

Aus meiner Sicht müssen folgende Aspekte gegeben sein, um diese Thematik wertschätzend zu beleuchten:

  • Keine negative Bewertung von Gewaltfantasien. Gewaltfantasien sind erst einmal nur Fantasien und keine Handlungen. Handlungen werden vor Gericht verurteilt, keine Gedanken, und aus meiner Sicht sollten auch Therapeuten nicht bewertend auf Fantasien reagieren. Es gibt Therapeuten, die mit diesen Themen nicht umgehen können oder wollen - auch das ist völlig okay. Ich kann mit diesen Gedanken umgehen und ich biete Ihnen/ Dir einen Raum, diese Fantasien ohne Bewertung anzuschauen und bestenfalls die Hintergründe zu verstehen.
  • Die Angst/ Unsicherheit ernstnehmen, dass die Fantasien Konsequenzen haben. Viele Menschen mit diesen Fantasien haben Sorge, dass sie weggesperrt werden, wenn sie ihre Gedanken mitteilen. Wenn Sie keine Gewalt ankündigen oder selbst um Einweisung bitten, ist eine Einweisung nicht akzeptabel und wird (zumindest bei mir) nicht geschehen. Die Fantasie alleine hat keine Konsequenzen.
  • Vertrauensebene: Es ist generell wichtig, im therapeutischen Rahmen Vertrauen aufzubauen. Ich halte es bei gewissen Themen für wichtiger als bei anderen Themen, und Gewaltfantasien mitzuteilen bedarf einer Vertrauensebene. Wir wir diese Vertrauensebene zusammen aufbauen, besprechen wir dann zusammen.
  • Gefühle wahrnehmen und zeigen dürfen. Seitdem ich mich mit therapeutischen Prozessen beschäftige, habe ich festgestellt, dass es einer der wichtigsten Aspekte einer Therapie ist, Gefühle wahrzunehmen und diese auch zeigen zu dürfen. Gewaltfantasien werden oft genährt von stark erlebter Hilflosigkeit in der Vergangenheit - viele Menschen haben schreckliche, traumatische Dinge erlebt und wünschen sich, Gewalt auszuführen, um aus der Hilflosigkeit und dem Ohnmachtsgefühl herauszukommen. Es gibt Wege, dies ohne Gewalt zu tun, auch wenn Sie sich das noch nicht vorstellen können.
  • Es darf sein. Auch Gewaltfantasien dürfen da sein, sie haben einen Grund und einen Nutzen.

Es ist mir ein persönliches Anliegen, insbesondere auch Menschen mit Gewaltfantasien anzusprechen, weil es so wenige Anlaufstellen gibt und viele Therapeuten davor zurückschrecken.

 

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