Impostor-Syndrom und Dunning-Kruger-Effekt

Diese zwei Begriffe tauchen immer mal wieder in Gesprächen, die ich führe, auf. Wichtig zu bemerken ist, dass dieses Syndrom und dieser Effekt kein Bestandteil der Auflistung psychiatrischer Erkrankungen (ICD) ist. Da diese Phänomene wohl Interesse auf sich ziehen, möchte ich beide einmal genauer beschreiben und voneinander abgrenzen:

 

  • Impostor-Syndrom:

Auch als "Hochstapler-Syndrom" bekannt, bedeutet, dass jemand seine Fähigkeiten und Erfolge nicht anerkennt oder "internalisiert" (für sich übernehmen; verinnerlichen). Das bedeutet, dass manche Menschen, die viel erreicht haben - z.B. Abschlüsse, Zertifikate, beruflicher Erfolg, Zielerreichung etc. - dies nicht anerkennen können und davon überzeugt sind, dass sie das nur durch Glück oder Zufall erhalten haben und dieses eigentlich nicht verdient hätten. Sätze wie: "Ja, wenn andere erstmal herausfinden, dass ich gar nicht talentiert bin ...", "Die Leute sehen mich eh falsch, weil sie nicht sehen können, dass ich inkompetent bin" etc. sind relativ typisch für Menschen mit dem Impostor-Syndrom. Nochmal: Es ist keine medizinische/ psychiatrische Erkrankung. Dieses Syndrom wird oft verwechselt mit Menschen, die Hochstapler sind (also vorgaukeln, Dinge erreicht zu haben, ein besonderes Leben zu führen, besondere Fähigkeiten zu haben, wobei Hochstapler nicht unbedingt den Fokus auf etwas Besonderes legen müssen, es gibt auch Hochstapler, die einfach nur ein "normales" Leben faken).

Menschen, die von nahen Bezugspersonen permanent verunsichert wurden oder ihnen gesagt wurde, sie seien dumm, hässlich, zu nichts zu gebrauchen, entwickeln die Grundüberzeugung, nichts zu können, hässlich zu sein etc. Jeder Erfolg wird nicht als Eigenleistung gesehen, sondern als Zufall oder als "gute Umstände" (somit external und nicht internal). Dahinter kann auch die Bannbotschaft "Schaff's nicht!" stehen: Das, was Du erreichen willst, wird eingefärbt von der Botschaft, dass Du es nicht schaffen darfst. Wenn Du es nun schaffst, kann es ja nicht an Deinen Fähigkeiten gelegen haben. Dieses Phänomen ist eine kindliche Überzeugung.

 

  • Dunning-Kruger-Effekt:

Dieser Effekt ist ebenso keine psychiatrische Erkrankung, es ist eher eine kognitive Verzerrung oder Wahrnehmungsverzerrung. Dieser Effekt zeigt, dass Menschen ihre Fähigkeiten und Erfolge deutlich überschätzen, insbesondere oder gerade dann, wenn sie in diesem Bereich so gut wie keine Kompetenzen aufweisen. Dunning und Kruger zeigen auf, dass es eine Kompetenz in einem Bereich geben muss, um die eigene Kompetenz bewerten zu können; die Inkompetenz in einem Bereich raubt den Menschen die metakognitive Fähigkeit, diese Defizite und diesen Kompetenzmangel zu kennen.

 

Beispiel:

Personen, die nicht Psychologie studiert haben, gehen oft davon aus, dass es sich dabei um einen Fachbereich handelt, der sich nur mit Krankheitsbildern und Therapien beschäftigt. Das Studium der Psychologie durchzieht aber ein roter Faden von Statistik, Messinstrumente, Mathematik, Modellen etc. Die klinische Psychologie ist nur ein kleiner Teil der Psychologie. Wer nun keine Ahnung davon hat, sagt zum Beispiel sowas: "Ach, Statistiken ... ich sage immer: Glaub nur der Statistik, die Du selbst gefälscht hast". Sie wissen nicht, was Statistik alles beinhaltet und da zeigen sie den Dunning-Kruger-Effekt: Etwas sehr sehr Komplexes, Mathematisches wird als Scheinbeschäftigung und Unsinn bewertet.

 

Viele Menschen würdigen zum Beispiel den Beruf eines anderen nicht, weil sie denken, sie wüssten, welche Kompetenzen es dafür braucht, aber wenn Du - nach Dunning und Kruger - keinerlei Kenntnisse in dem Bereich hast, kannst Du Deine Kompetenz in dem Bereich nicht einschätzen.

 

So kann man im Umkehrschluss auch sagen: Je mehr man sich mit etwas beschäftigt, desto mehr sind einem die Wissenslücken bekannt. Sokrates hat das recht gut zusammengefasst: "Ich weiß, dass ich nichts weiß." Dunning und Kruger sagen dies: (...) dass die Fähigkeiten, die eine Kompetenz in einem bestimmten Bereich hervorbingt, oft die gleichen Skills sind, die zur Kompetenzbewertung in dem Bereich nötig sind."

Wenn man somit auf jemanden trifft, der meint, zu einem Gebiet alles zu wissen, liegt der Verdacht nah, dass er den Dunning-Kruger-Effekt zeigt.

 

Kruger J., Dunning D.: Unskilled and unaware of it: how difficulties in recognizing one's own incompetence lead to inflated self-assessments. J Pers Soc Psychol. 1999 Dec; 77(6):1121-34. Doi: 10.1037//0022-3514.77.6.1121. PMID: 10626367.

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Kikkulade (Mittwoch, 23 Oktober 2024 21:01)

    Sehr gut erklärt. Danke!! :)